Mit einer Bronze-Medaille kehrte das fünfköpfige österreichische Teilnehmerteam von der heuer im Juli auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko ausgetragenen Physikolympiade zurück. Den theoretischen und praktischen Klausuren stellten sich nach nationalen Auswahlverfahren heuer 72 Teams mit 340 Olympioniken. Nach den insgesamt rund zehn Stunden dauernden Prüfungen sicherte sich David Wurm (19) vom BG/BRG Fadingerstraße in Linz die Bronze-Medaille. Der Rest der heimischen Teilnehmer ging nicht zuletzt wegen gesundheitlicher Probleme - die Rache Montezumas“ setzte drei Olympioniken außer Gefecht - leer aus.
Die Aufgaben für die Teilnehmer sind höchst anspruchsvoll. So ging es heuer etwa darum, dass der Mond über die Gezeiten die Drehung der Erde bremst. „Dadurch wird nicht nur der Tag länger, auch der Abstand Erde - Mond vergrößert sich. Um wie viele Sekunden wird der Tag im nächsten Jahr länger sein? Um wie viele Zentimeter wird sich der Mond im Jahr von der Erde entfernen? (Ergebnisse: Innerhalb von 100 Jahren verlängert sich der Tag um 2 Tausendstel Sekunden. Der Mond entfernt sich pro Jahr um knapp 4 Zentimeter von der Erde)“.

Wo Laserstrahlen „über die Klinge springen“ und Montezuma Rache übt ......


Ein Bericht über die 40. Internationale Physikolympiade-2009 in Mexiko von Helmuth Mayr

 

 

 

Ohne Fleiß kein Preis


Der Schweiß rann in Strömen, obwohl wir einen schattigen Platz auf der Hotel-Terrasse gleich neben dem Swimmingpool hatten. Wir, das waren die Schüler Andreas Theiler aus der Steiermark, David Wurm aus Oberösterreich, Stephan Troyer aus Niederösterreich, Josef Kaufmann aus Tirol, die Schülerin Melanie Graf aus Wien, Prof. Stütz aus Linz und meine Wenigkeit, kurz gesagt, das heurige österreichische Team bei der 40. Internationalen Physikolympiade, zu der Mexiko in die interessante Stadt Meridá auf der Halbinsel Yukatan eingeladen hatte.
Wir saßen also auf der weitläufigen Hotelterrasse in Meridá, rund um einen großen, gusseisernen Tisch, der mit Papieren, Büchern und dergleichen bedeckt war, und trainierten für die kommende Olympiade.
Kollege Stütz und ich versorgten unsere Schützlinge mit kniffeligen Problemen, und die Jugendlichen bemühten sich mit Feuereifer, sie möglichst selbstständig und korrekt zu lösen.
Nach jeder Arbeitsphase gab´s ein „Wasserpause“, das heißt, wir kühlten uns im Pool ab. Nun, wenn sich physikalisch Interessierte gemeinsam in einem Pool befinden, dann darf doch auch ein bisschen experimentiert werden, nicht wahr ? Unser Lieblingsexperiment war es, zu untersuchen, ob man durch entsprechendes Auf- und Abschaukeln auch in einem nicht-rechteckigen Pool stehende Wasserwellen erzeugen könne. Kurz gesagt: Man kann, und zwar mit ausgesprochen deutlich merkbarem „Platsch-Effekt“ auf die Umgebung des Beckens (was die Hoteldirektion mit saurem Lächeln quittierte).

Nach intensiver vor- und nachmittäglicher Beschäftigung mit physikalischen Problemen genossen wir die abendliche Kühle und erhielten – etwa auf der Plaza Major – einige Eindrücke der mexikanischen Lebensart und Lebensfreude, und das vom 5. bis 10. Juli 2009. Wir fühlten uns willkommen und genossen untertags unsere Arbeit und in der abendlichen Kühle die mexikanische Küche und Lebensfreude.

Ab nun wird´s international


Der 11. Juli war der Anreisetag der 40. Internationalen Physikolympiade. Kollege Stütz und ich wurden in ein anderes Hotel – in dem alle Leader untergebracht waren – übersiedelt. Unsere Schützlinge jedoch konnten gesund und munter im ursprünglichen Hotel bleiben, das nun von anderen Olympiadeteilnehmern/innen aus aller Welt bevölkert wurde. Insgesamt waren 315 Schüler/innen aus 68 Nationen in drei unterschiedlichen Hotels untergebracht, und dazu noch 129 Leader und 89 Observer und Visitors in zwei anderen Hotels.

Es ist eine jahrzehntelange Tradition, daß die IPhO mit einer feierlichen Zeremonie eröffnet wird, und das war auch heuer wieder einmal ein beeindruckendes Schauspiel, das in einem großen Theatersaal stattfand.

Der Ernst der IPHO beginnt


Nach dieser Zeremonie wurden uns Leadern die theoretischen Aufgaben auf Englisch bekannt gegeben, wie´s seit Jahrzehnten üblich ist. Wir Leader aus allen Ecken und Enden der Erde haben dann die Verpflichtung, diese Aufgaben kritisch zu durchleuchten, zu diskutieren und anschließend – nach Vorliegen einer offiziellen englischsprachigen Version - in die jeweiligen Landessprachen zu übersetzen.
Daher dürfen wir vom Beginn der Aufgabenbesprechungen bis zum Ende des Wettbewerbes keinen Kontakt zu unseren Schülern/innen haben, und das war natürlich auch heuer wieder der Fall. Und daher hatten wir Leader zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung von dem Pech, von dem unsere Mannschaft verfolgt wurde.

Die drei theoretischen Aufgaben waren ausgesprochen interessant: Bei der ersten Aufgabe wurde das System Erde-Mond näher betrachtet: Nach einigen Betrachtungen über das entsprechende Bewegungsverhalten war zu berechnen, wie weit sich der Mond jährlich von der Erde entfernt.
Die zweite Theorie-Aufgabe entführte die Teilnehmer/innen in ziemlich unbekannte Ecken der „AHS-Physik“, und zwar in die Bereiche Laserkühlung von Atomen und Lichtausbreitung im „optischen Sirup“. Zunächst wurden gerafft diese beiden Bereiche vorgestellt, und dann wurde von den Jugendlichen verlangt, dass sie die soeben erworbenen Kenntnisse so anwenden, dass sie diverse Details der auftretenden Emissions- und Absorptionsvorgänge sowie Näheres über Kräfte- und Bewegungsverhältnisse von Teilchen theoretisch erfassen und berechnen.
Die dritte Theorie-Aufgabe entführte die Teilnehmer/innen in das Innere von Sternen. Nach einer klassischen und einer quantenmechanischen Herleitung der Zentraltemperatur eines Sternes (und einem kritischen Vergleich dieser beiden Wege) waren Betrachtungen zum Masse-Radius-Verhältnis von Sternen und eine Analyse des auftretenden Fusionsprozesses verlangt.
Für die Bearbeitung aller dieser Aufgaben hatten die Jugendlichen insgesamt fünf Stunden Zeit.
Da unser Team gut vorbereitet war, hofften wir, dass alle mit den Gegebenheiten einigermaßen gut zurecht kommen würden.

Als der Theorie-Wettbewerb vorüber war, erfuhren wir, dass leider drei unserer Schüler so schwer an „Montezumas Rache“ erkrankt waren, dass sie – statt am Wettbewerb teilnehmen zu können – auf Anraten des örtlichen Arztes nach einer lindernden Spritze das Bett hüten mussten. Die beiden am Wettbewerb teilnehmenden Team-Mitglieder waren zwar auch nicht völlig gesund, aber konnten sich trotzdem den Aufgaben stellen.
Uns Leader hat das Ganze deshalb besonders erstaunt, weil wir ja tags zuvor noch alle fünf gesund und munter sozusagen „an die Organisatoren weiter gegeben“ hatten.
Es stellte sich aber heraus, dass nicht nur unsere Schüler von „Montezumas Rache“ erfasst wurden. Allerdings waren nur sehr wenige so glücklos, dass sie den theoretischen Wettbewerb versäumen mussten.

Nach einem Erholungstag, an dem eine höchst interessante Exkursion zu altehrwürdigen Maja-Anlagen durchgeführt wurde, wiederholte sich das Wettbewerbs-Procedere: Wiederum durften wir mit unseren Teams keinen Kontakt haben, wiederum wurden Aufgaben – diesmal zwei experimentelle – vorgestellt, und wiederum hatten wir diese zu diskutieren und die endgültige englische Fassung in die jeweiligen Landessprachen zu übersetzen.
Gemäß Statuten kann ein Gastgeberland entweder ein einzelnes oder zwei Experimente vorlegen. In jedem Fall gilt wieder eine Zeitvorgabe von insgesamt fünf Stunden.

Heuer waren zwei Experimente durchzuführen. Im ersten Fall war ein Laserstrahl so einzustellen, dass er optimal die Kante einer aufgestellten Rasierklinge streift. Dies ergab bei guter Einstellung ein Überlagerungsbild der beiden Lichtanteile auf einem Beobachtungsschirm. Wann die Einstellung optimal war, konnte man aus der zu erstellenden Messtheorie erkennen. Mit dieser Anordnung war die Wellenlänge des verwendeten Laserlichtes zu bestimmen.
Beim zweiten Experiment fiel dieser Laserstrahl auf einen Körper aus Glimmer, dessen doppelbrechendes Verhalten innerhalb eines Winkelintervalles zu analysieren und numerisch zu erfassen war.
Gott sei Dank waren zu diesem Zeitpunkt alle unsere Schützlinge wieder gesund, so dass sie alle an diesem Wettbewerb teilnehmen konnten.

Punkte, Preise und Personen


Für alle Theorie-Aufgaben werden maximal 30 Punkte und für alle Experimentalaufgaben maximal 20 Punkte vergeben. Dies erfolgt nach einem Punkteschema, das ebenfalls im internationalen Plenum ausdiskutiert wurde.

Unsere Jugendlichen hatten nun ihr Plansoll erfüllt und konnten die Zeit bis zur Preisverleihung mit Exkursionen und anderen Zerstreuungen genießen und vieles von Land und Leuten erfahren und erleben.

Wir Leader bekamen die Kopien der Arbeiten unserer Schüler/innen und hatten sie zunächst zu korrigieren und zu bepunkten. Angenehmerweise hatten wir trotz dieser Arbeit Zeit, im Rahmen von zwei Exkursionen mehr vom mexikanischen Leben zu erfahren.
Anschließend wurden Besprechungstermine mit den Korrektur-Teams fixiert. Gemeinsam mit diesen hatten wir eine faire Punkteanzahl festzulegen. Damit wurde dann die Rangfolge der einzelnen Schülerleistungen von den Veranstaltern festgelegt. (Es gibt keine Nationenwertung).
Im Rahmen einer Sitzung wurde dann diese Rangfolge kontrolliert und abgesegnet.
Je nach erzielter Punkteanzahl werden dafür Gold-, Silber- und Bronze-Medaillen vergeben und „Honorary Mentions“ ausgesprochen.

Dann fand die feierliche Preisverleihung in dem riesigen Theatersaal statt, in dem auch die Eröffnungszeremonie durchgeführt worden war. Eingebettet in diverse Reden von Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft und Musik-, Gesang- und Tanz-Einlagen wurden insgesamt 49 Honorary Mentions, 79 Bronze-Medaillen, 70 Silber-Medaillen und 42 Gold-Medaillen an die Betroffenen überreicht.
Erfreulicherweise gewann unser Schüler David Wurm aus Linz eine Bronzemedaille.
Herzliche Gratulation !
Die allerbeste Leistung wurde von einer chinesischen Schülerin erbracht, die mit 48,2 Punkten glänzte.

Ein eher abrupter Schluss


Unmittelbar nach der Preisverleihung wurde es etwas hektisch, und zwar deshalb, weil viele Teams die Heimreise antreten mussten, darunter auch wir. Den Verbliebenen wurde noch eine Abschiedsparty geboten.

Trotz „Montezumas Rache“ blickten wir mit etwas Wehmut vom immer höher steigenden Flugzeug auf die Stadt Merida, die uns innerhalb der letzten 15 Tage doch sehr ans Herz gewachsen war.